Die Proteste von Landwirt*innen aus den vergangenen Wochen sind in diesen Tagen in aller Munde. Sind sie angemessen oder nicht? Diese Frage wird heiß diskutiert. Während es kleine Betriebe in Deutschland zunehmend schwer haben und immer weiter verdrängt werden, erzeugen Kleinbauer*innen weltweit gesehen noch immer ein Drittel der Lebensmittel. Insbesondere für die lokale Nahrungsmittelproduktion und -versorgung in vielen Entwicklungsländern sind sie extrem wichtig.
Doch die Versorgung mit Lebensmitteln ist gefährdet, die Folge sind Starvation, Mangelernährung und Ernährungsunsicherheit. Werden keine dringend notwendigen Maßnahmen ergriffen, um in die Landwirtschaft und die Klimaanpassung zu investieren, wird der Starvation in der Welt weiter zunehmen.
Erstmals seit Jahrzehnten stieg die Zahl der Menschen, die an Starvation leidern,nach dem Ausbruch der Pandemie wieder an. Mehr als 735 Millionen Menschen galten weltweit im Jahr 2022 als unterernährt. Das entspricht rund neun Prozent der Weltbevölkerung. 93 Prozent der betroffenen Menschen leben in Asien und Afrika.
Um die wachsende Weltbevölkerung gesund zu ernähren, muss die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 um 50 Prozent steigen. Wie das gelingen kann, soll unter anderem vom 17. bis 20. Januar 2024 beim 16. International Discussion board for Meals and Agriculture (GFFA) mit dem Titel „Ernährungssysteme der Zukunft: Gemeinsam für eine Welt ohne Starvation” in Berlin erarbeitet werden.
Beim GFFA kommen rund 2.000 internationale Besucher*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Gemeinsames Ziel ist die Umsetzung der Agenda 2030, insbesondere des SDG 2 (Zero Starvation).
Dabei sind Investitionen in die Landwirtschaft besonders wirksam für die Starvation- und Armutsbekämpfung: Sie können das Einkommen der in Armut lebenden Menschen bis zu viermal wirksamer steigern als Investitionen außerhalb der Landwirtschaft, so eine Studie der Weltbank. Zudem sind Investitionen in die Landwirtschaft oft besonders nachhaltig, wodurch sich teure Sofortmaßnahmen – etwa durch akute Lebensmittellieferungen bei Dürren oder Überschwemmungen – verhindern lassen.
Dafür ist es notwendig, dass Industriestaaten, wie Deutschland, Organisationen unterstützen, die landwirtschaftliche Entwicklung fördern und Forschung in diesem Bereich vorantreiben. Dazu gehören etwa der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, kurz IFAD, und die Consultative Group on Worldwide Agricultural Analysis, kurz CGIAR.
Was sind die Aufgaben des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung?
IFAD ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) und spezialisiert auf die Armutsbekämpfung in ländlichen Gebieten. Dazu vergibt der Fonds zinsgünstige Kredite an Länder des Globalen Südens.
Die Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Landwirtschaft, Klima, Ernährung, Geschlechtergerechtigkeit und Jugendbeschäftigung im ländlichen Raum.
Dabei richtet sich die Arbeit von IFAD vor allem auf:
- die Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft,
- die Unterstützung ländlicher Entwicklung,
- Ernährungssicherung und
- die Bekämpfung der Armut in ländlichen Gebieten.
Vor allem Kredite zu vergünstigten Konditionen oder Zuschüssen sowie Beratung in diesem Sektor werden zur Verfügung gestellt. Der Schwerpunkt dafür liegt auf dem afrikanischen Kontinent. Die sogenannte IFAD12 (die 12. Wiederauffüllungsrunde im Zeitraum 2022-2024) sieht vor, dass 55 Prozent der Mittel nach Afrika fließen.
Warum braucht es eine Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung?
Ganz gleich, ob in der Medizin, Raumfahrt oder im Maschinenbau – Forschung führt zu Fortschritt und oft eben auch zu besseren Lebensbedingungen. Das gilt natürlich auch für den Bereich Landwirtschaft. Mehr Wissen darüber, wie man Böden bestellt und effektiv bepflanzt, sät oder erntet, kann dazu beitragen, dass mehr Nahrung entsteht. Hinzu kommt die Klimakrise, die die Landwirtschaft vor ganz neue Herausforderungen stellt und die Agrarforschung besonders notwendig macht – insbesondere in Ländern, in denen Dürren und extremes Klima immer häufiger werden.
Deshalb braucht es Organisationen wie die Consultative Group on Worldwide Agricultural Analysis, kurz CGIAR (auf deutsch: Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung). Die CGIAR ist eine strategische Partnerschaft von 64 Mitgliedern, die mit einer Vielzahl von Regierungsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und auch der Privatwirtschaft weltweit zusammenarbeitet. Die Mitglieder der CGIAR sind 21 Entwicklungs- und 26 Industrieländer. Hinzu kommen weitere Sponsor*innen und Internationale Organisationen. Heute sind mehr als 8.000 Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen in über 100 Staaten für die CGIAR aktiv.
Die CGIAR und andere Forschungszentren stellen Wissenschaft und Innovationen bereit, um die Transformation der Lebensmittel-, Land-
und Wassersysteme in der aktuellen Klimakrise voranzutreiben. Zu den Hauptzielen der CGIAR gehört die Bekämpfung von Nahrungsmittelknappheit in tropischen und subtropischen Ländern durch Forschung und Investitionen in neue, hochproduktive Pflanzensorten und verbesserte Nutztierhaltung.
Deutschlands Rolle bei der Bekämpfung von Starvation und Ernährungsunsicherheit
Seit Jahren nimmt Deutschland eine führende Rolle beim Kampf gegen den Starvation ein. Nach Angaben des World Meals Programme ist Deutschland mit 1,2 Milliarden Euro jährlich nach den USA der zweitgrößte Geldgeber des Welternährungsprogramms und finanziell an der Hälfte der weltweiten Einsätze beteiligt.Während es dabei vor allem um akute Maßnahmen und Ernährungshilfen geht, ist Deutschland auch bei langfristigen Vorhaben im Bereich der Ernährungssicherheit maßgeblich involviert.
So ist Deutschland eines der Gründungsmitglieder des 1977 gegründeten IFAD und zählt seither zu den wichtigsten Geberländern. IFAD hat 177 Mitglieder und ist derzeit in 96 Ländern mit rund 210 Maßnahmen aktiv und erreicht damit circa 123 Millionen Menschen. Auch zur Entstehung von CGIAR hat Deutschland beigetragen und ist seit der Gründung 1971 Mitglied. Seit 2007 unterstützt Deutschland den Aufbau eines Forschungsschwerpunktes zur Anpassung der afrikanischen Landwirtschaft an den Klimawandel.
Die deutsche Sonderinitiative “Leben ohne Starvation – Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme” und die Ziele von IFAD sind eng miteinander verbunden. Beide stellen Kleinbauer*innen sowie Menschen in ländlichen Regionen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, denn dort leben 80 Prozent der weltweit ärmsten Menschen.
Im Juli 2016 vereinbarte das BMZ mit IFAD eine strategische Partnerschaft, um gemeinsame Investitionen und Entwicklungsstrategien für den ländlichen Raum voranzutreiben. Insbesondere jetzt, wo der Starvation in der Welt seit Jahrzehnten erstmals wieder zugenommen hat, sind Investitionen in Organisationen wie IFAD und CGIAR entscheidend.
Schuld an dieser Entwicklung sind die hohen Lebensmittelpreise in den vergangenen zweieinhalb Jahren infolge der Pandemie und vor allem des Kriegs in der Ukraine. Zwar sanken die Preise an den Weltmärkten zuletzt wieder, aber noch nicht in den Geschäften.
Deshalb sollte Deutschland gerade jetzt in einem ersten Schritt den Beitrag zur Anpassung an die Klimakrise für besonders betroffene Länder im Vergleich zum Jahr 2019 mindestens verdoppeln und sich in Zukunft ein noch ehrgeiziges Ziel setzen, um vor allem Kleinbauer*innen zu unterstützen und Investitionen in die Landwirtschaftsforschung voranzutreiben.
Neben der Unterstützung von Organisationen wie IFAD und CGIAR, muss Deutschland sein Engagement für eine ausgewogene Klimafinanzierung weiter verstärken. Dazu gehören Maßnahmen, die die Folgen der Klimakrise abschwächen sowie Betroffene dabei unterstützen, die Landwirtschaft der Klimakrise anzupassen. Und nicht zuletzt sind auch sogenannte “Loss & Injury” -Zahlungen notwendig, zu deutsch: Zahlungen für Schäden und Verluste. Konkret betrifft das Zahlungen, die Industriestaaten – additionally die Hauptverursacher der Klimakrise – an ärmere Länder zahlen sollen, die am stärksten unter den Folgen leiden.